Dr. med. Sarah Dörig

Sarah Dörig (+Photographers Name!)

Photo by: bekafotografiert

Dr. med. Sarah Dörig
Physician, Mother and Visitor at the Family Larsson-Rosenquist Foundation Breastfeeding Room

What does it mean to a mother to have a public place to breastfeed, like the one the Foundation created in Frauenfeld? 

It’s very valuable! It allows for a flexible response to a baby’s sudden hunger. Public spaces can be very distracting for babies. A centrally located, practical, stylishly furnished lactation room is like a peaceful oasis where both mother and baby can experience a sense of security and comfort. It’s nice that you can lock it and that there are toys for older siblings to play with.


What's the general attitude towards public breastfeeding in Switzerland?

Breastfeeding in Switzerland tends to take place behind closed doors. While there are times when nursing in public is unavoidable, I still sense a kind of taboo around it. As a woman, it would be better to confidently say, “Breastfeeding is natural!” But I also had my moments of insecurity, of being sensitive to disapproving looks, of searching for a discreet spot and ensuring everything was covered.


Why is support for breastfeeding important?

As a physician, I am acutely aware of the fine line between practice and overload. Ideas about breastfeeding change after childbirth. Compassionate guidance can support a mother on her personal breastfeeding journey and builds maternal confidence. I also think it’s important that mothers be allowed to rely more on their own intuition again.


How can private institutions like the Foundation support nursing mothers? 

They can advise businesses and organizations, such as pharmacies, restaurants, counseling centers and government agencies, on setting up lactation rooms or areas. They can stress that it’s important, that lactation spaces need to be part of the local landscape! They can sensitize employers to creating a supportive culture for nursing mothers returning to work. They can also help increase dialogue between mothers and contribute to the way mothers access breastfeeding information.


Extended interview, in German

Was bedeutet das Angebot eines öffentlichen Stillzimmers, wie es die Stiftung in Frauenfeld eingerichtet hat, für eine Mutter?

Diese Initiative der Familie Larsson-Rosenquist Stiftung ist sehr wertvoll! Ein Stillzimmer gibt dir die Möglichkeit, flexibel zu reagieren, wenn dein Kind plötzlich Hunger hat. Im öffentlichen Raum ist das Baby oft abgelenkt. Ein zentral gelegenes, mit einem bequemen Stuhl und sogar einem Kissen praktisch und stilvoll eingerichtetes Stillzimmer ist eine ruhige Oase, in der sich Mutter und Kind sicher und geborgen fühlen, denn beim Stillen bist du als Mutter empfindlich, und es hilft sehr, wenn du ohne Stress stillen kannst. Das gilt ja auch, wenn eine Mutter ihrem Kind den Schoppen geben will. Es schön, dass man das Zimmer abschliessen kann und dass es sogar Spielzeug für ältere Geschwister hat.


Wenn kein Stillzimmer zur Verfügung steht – wie steht es in der Schweiz um das Stillen in der Öffentlichkeit?

In der Schweiz findet das Stillen eher noch hinter verschlossenen Türen statt. Stillen in der Öffentlichkeit ist manchmal einfach nötig, und ich habe persönlich keine schlechten Erfahrungen damit gemacht, aber es scheint mir immer noch so etwas wie ein Tabuthema zu sein. Es dürfte aber für die Öffentlichkeit einfach kein Problem mehr sein! Da müssen wir als Frauen selbstbewusster sagen: Das Stillen gehört dazu! Aber ja, auch ich habe mich manchmal etwas unsicher gefühlt, war sensibel für kritische Blicke, habe darauf geachtet, dass alles bedeckt war und dass ich an einem eher diskreten Ort stillte. Ich suchte mir immer einen ruhigen Ort, wo ich mir Zeit nehmen und die Nähe zu meinem Baby geniessen konnte.


Auch aus Ihrer Sicht als Ärztin: Weshalb ist es wichtig, dass Mütter beim Stillen unterstützt werden?

Das Stillen bietet aus medizinischer Sicht für Mutter und Kind Vorteile. Stillen führt durch die freigesetzten Hormone zu verkürzten Blutungen nach der Geburt, die Muttermilch enthält alle Nährstoffe, die das Baby braucht, und sie enthält Antikörper, die dem Baby in der ersten Zeit Immunschutz bieten. Der nahe Körperkontakt von Mutter und Kind beim Stillen kann die Bindung fördern. 

Allerdings will das Stillen gelernt sein. Es besteht meines Erachtens ein schmaler Grat zwischen Übung und Überforderung, und es ist für die betreuenden Fachpersonen (Hebammen, Gynäkolog:innen, Stillberaterinnen) sehr wichtig, Mütter feinfühlig zu begleiten.

Einerseits brauchen sie in den ersten Tagen Anleitung, Hilfe und Zuspruch (z.B. auch, wenn es einmal nicht so richtig klappen will). Da ist es hilfreich, wenn man als junge Mutter vom Erfahrungsschatz von Fachpersonen profitieren kann und sich bei der Entscheidungsfindung unterstützt fühlt, ob und wie lange man stillen kann und möchte. Die Vorstellungen, die man als Frau über das Stillen hat, können sich nach der Geburt verändern. Eine fachkundige Unterstützung kann allfällige Ängste und Unsicherheiten ausräumen und die Mutter auf ihrem individuellen «Still-Weg» begleiten.

Ganz allgemein finde ich es sehr wichtig, dass junge Mütter sich wieder mehr auf ihr (Bauch) Gefühl verlassen. Durch die Flut an verfügbaren Informationen und Informationskanälen kann es passieren, dass das eigene Empfinden auf der Strecke bleibt und sich eine Überforderung und/oder Ängste einstellen.

Es geht auch darum, das Selbstbewusstsein der Frauen in sich selbst, als Mama, zu stärken. Die Mutterrolle ist eine neue Rolle, die so viele Aspekte des Lebens verändert und auf den Kopf stellt, und für die es keine „Ausbildung" gibt. Und doch kommt es in den allermeisten Fällen gut. Wichtig scheint mir, dass wir Müttern das Gefühl vermitteln: ihr macht das gut, ihr seid gut genug, hört auf eure Intuition. Jede Mutter-Kind-Beziehung ist einzigartig und grossartig. Und so kann man von aussen nur Hilfestellung bieten, dass diese Beziehung aufblühen kann. Das Stillen steht ganz am Anfang dieser einzigartigen Bindung. Wenn man hier einsetzen und Mütter (und Kinder) am Anfang ihres Wegs begleiten und bestärken kann, dann legt das einen ganz wertvollen Grundstein für die weitere Entwicklung. 


Welche Rolle sollen private Institutionen wie FLRS übernehmen, um stillende Mütter zu unterstützen?

Eine Aufgabe ist sicher, solche Oasen wie Stillzimmer zu ermöglichen, nicht nur in eigenen Räumlichkeiten. Sie sollen Firmen und Organisationen wie Apotheken, Restaurants, Beratungsstellen, Behörden aufzeigen, wie eine Stillecke oder ein Stillzimmer mit wenig Mitteln eingerichtet werden kann, und dass es wichtig ist, dass Stillzimmer einfach zu einem Ortsbild gehören!

Eine weitere wichtige Rolle wäre es, Arbeitgeber für eine Unternehmenskultur zu sensibilisieren, die zurückkehrenden Müttern das Weiterstillen ermöglicht. Gesetzlich sind Arbeitgeber dazu verpflichtet. Es geht aber auch um die praktische Anleitung, wie man einen Rückzugsraum einrichtet, z.B. mit einem Kühlschrank für die komplizierte Logistik, und darum, dass die Mutter spürt, dass sie durch die Stillpausen keinen Nachteil hat und dass es in Ordnung ist, sich die Zeit zu nehmen.

Private Institutionen spielen auch eine wichtige Rolle, damit Mütter an möglichst wenigen zentralen Orten fundierte, gut vernetzte Still-Informationen bekommen und wissen, wo sie sich bei Fragen hinwenden können, auch schon vor der Geburt. Und schliesslich können private Institutionen das Selbstbewusstsein von Müttern stärken, indem sie einen intensiveren Austausch untereinander fördern – über das Stillen, aber auch über all die anderen Herausforderungen beim Versuch, alle Bälle in der Luft zu halten und allen Ansprüchen gerecht zu werden.