Ein innovativer Ansatz zur Operationalisierung soll Ländern helfen, ihre Stillpolitik systematisch und über mehrere Projektphasen hinweg praktisch umzusetzen. Sein Ziel ist die Steigerung der Stillraten.
Der systematische Ansatz umfasst sechs Phasen und basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen über still-hindernde und begünstigende Faktoren sowie bestehende und veröffentlichte Stillinterventionen. Er verwendet eine Reihe wichtiger Bestandteile – Rahmenbedingungen und Regelwerke, Taxonomien, Hilfsmittel und Datenbanken – die im Laufe des Projekts weiterentwickelt und getestet werden.
Diese wichtigen Bestandteile der Operationalisierung richten sich an verschiedene Benutzergruppen: Fachliches Beratungspersonal und staatliche Planungsabteilungen, Geld gebende Institutionen, Forscherinnen und Forscher, Unternehmensorganisationen, Nichtregierungs- und zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Entscheidungsverantwortliche in der Politik. Sie wurden 2020 von FLRS in Zusammenarbeit mit McKinsey konzipiert, um die systematische Operationalisierung von Stillstrategien mit lokal angepassten, massgeschneiderten Interventionen zu unterstützen, die das Stillumfeld in einem Land nachhaltig verbessern können.
Die derzeit verfügbaren Bestandteile und Instrumente des Operationalisierungsansatzes werden in folgenden Phasen eingesetzt:
Um die systematische Operationalisierung überhaupt beginnen zu können, ist die Transparenzphase erforderlich.
In Phase 1 werden umfassendste und genaueste Hintergrundinformationen über ein bestimmtes Land gesammelt.
Diese Informationen bieten einen ersten Überblick über die aktuelle Situation des Stillens, von wissenschaftlichen Publikationen bis hin zu umgesetzten Massnahmen und Programmen. Zudem werden potenzielle Projektpartner und wichtige Akteure im Bereich Stillen und Laktation identifiziert.
Die in Phase 1 gewonnenen Informationen unterstützen bei der Prioritätensetzung und der Ausgestaltung der nächsten Phasen.
In Phase 2 wird gemessen, wie stillfreundlich die derzeitige Umgebung in einem Land ist und bewertet, inwieweit die Bereitschaft besteht, die Stillrate im Land mithilfe der Becoming Breastfeeding Friendly (BBF) Initiative zu erhöhen.
BBF hilft dabei, die Schlüsselbereiche zu identifizieren, die die Skalierbarkeit von Stillprogrammen begünstigen. Wenn die BBF-Analyse anzeigt, dass das Land bereit für eine solche Ausweitung ist, geht das Breastmilk for Life Projekt in die nächste Phase über. Falls das Land noch nicht so weit ist, kann es die notwendigen Schritte einleiten, wie sie in der BBF-Analyse aufgezeigt sind.
Das Persona-System kombiniert demografische Parameter und qualitative Forschung, um Frauen in verschiedene sozioökonomische Gruppen, sogenannte Personas, einzuteilen. Diese Segmentierung ist entscheidend für die spätere Skalierbarkeit von Stillfördermassnahmen.
Dadurch kann ein Land ermitteln, wie verschiedene Gruppen von Frauen – oder Personas – ähnliche Stillrealitäten teilen und wie sie von massgeschneiderten Fördermassnahmen profitieren können, die gemeinsame Ansatzpunkte nutzen.
Die Einteilung in Personas ist entscheidend für den Erfolg bei der landesweiten Ausweitung von Stillfördermassnahmen und Interventionen.
In der Struktur und Taxonomie stillhindernder und -begünstigender Faktoren werden für jede im Land identifizierte Persona die wesentlichen Faktoren erfasst, die das Stillen behindern oder begünstigen. Die so ermittelten Hauptfaktoren, die das Stillen behindern oder begünstigen, können durch gezielte Interventionen angegangen werden, um die Stillergebnisse nachhaltig zu verbessern.
Die Struktur und Taxonomie beruhen auf 200 bekannten, stillhindernden und -begünstigenden Faktoren. Diese wurden aus etwa 150 von Fachexpertinnen und Fachexperten begutachteten Artikeln über relevante, negative oder positive Stillfaktoren und Interventionen extrahiert.
Durch die Verwendung eines flexiblen, menschenzentrierten Designs, in Verbindung mit einem systematischen Ansatz, können Fachgruppen, den Stillverlauf und das Ökosystem verschiedener Gruppen von Müttern systematisch analysieren. Die Taxonomie ermöglicht die Klassifizierung einzelner Determinanten, die dann in die operative Planung einbezogen werden können.
FLRS und die University of Ghana School of Public Health haben im Jahr 2021 mit dem Aufbau einer Rahmenstruktur für Best-Practice-Interventionen und einer Interventionsdatenbank begonnen.
Erfolgreiches Stillen wird von zahlreichen komplexen Faktoren im Ökosystem einer Mutter beeinflusst. Erfolgreiche Interventionen müssen auf verschiedene Determinanten und Einflussfaktoren innerhalb dieses Ökosystems abgestimmt sein – dazu gehören Mütter, Familien, Gemeinden und die Gesellschaft als Ganzes, um nur einige zu nennen. Angesichts der Vielzahl von Möglichkeiten kann die Auswahl der richtigen Intervention sein.
Professor Richmond Nii Okai Aryeetey ist verantwortlich für den Aufbau der Rahmenstruktur für Best-Practice-Interventionen und der Interventionsdatenbank, die ein Kompendium bereits getesteter und bewährter Interventionen umfasst. Diese sollen Fachgruppen bei der Auswahl geeigneter, evidenzbasierter Interventionen unterstützen.
Die Interventionsdatenbank stellt eine Auswahl wissenschaftlich evaluierter Interventionen bereit, die gemäss der Struktur & Taxonomie stillhindernder und -begünstigender Faktoren (Phase 4) klassifiziert sind. Dies ermöglicht einen effizienten und praktischen Abgleich von Problemen mit erprobten Lösungen.
Professor Aryeetey und sein Team haben über 1'400 praxiserprobte und veröffentlichte Interventionsprojekte gesammelt, überprüft, klassifiziert und für die Datenbank zusammengestellt. In Zusammenarbeit mit FLRS wird zudem ein System zur Qualitätsprüfung der Interventionsprojekte entwickelt. Dies ermöglicht es den zuständigen Fachgruppen, die Interventionslösung zu finden, die ihren Anforderungen am besten entsprechen.
FLRS ist der Ansicht, dass im Rahmen des Datenbankaufbaus wissenschaftliche Literatur über Stillfaktoren mit kompatiblen Interventionsmassnahmen verknüpft wird und so kritische Wissenslücken identifiziert werden.
Die leicht anpassbare Rahmenstruktur für Best-Practice-Interventionen und die Interventionsdatenbank werden Regierungen und allen Organisationen, die sich für die Erhöhung der Stillraten in ihrer Region einsetzen, frei zugänglich sein.
FLRS und das Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte an der Universität Zürich (UZH) haben im Jahr 2021 mit dem Aufbau der Ethischen Leitlinien für Stillinterventionen begonnen.
Diese Leitlinien sollen den verantwortlichen Gesundheitsbehörden eine praktische Anleitung im Umgang mit ethischen Fragen im Zusammenhang mit Stillinterventionen bieten.
In der Praxis werden sie Fachgruppen dabei helfen, ethische Fragestellungen zu analysieren, die mit wichtigen Einflussfaktoren für das Stillen zusammenhängen. Dies ermöglicht eine fundierte Entscheidungsfindung und trägt dazu bei, unbeabsichtigte unethische Praktiken bei Skalierungen zu verhindern.
Sobald die Arbeit abgeschlossen ist, werden die Ethischen Leitlinien für Stillinterventionen frei zugänglich sein:
Der erste Teil von EFBRI zum Bereich Forschung ist bereits auf der Wissensplattform LactaHub verfügbar.
FLRS und UZH sind überzeugt, dass die Ethischen Leitlinien für Stillinterventionen verantwortungsbewusstes, fundiertes Handeln zur Verbesserung der Gesundheit von Müttern und Säuglingen fördern werden. Dieser innovative Ansatz, ethische Überlegungen mit der Identifizierung von Best-Practice-Interventionen zu verknüpfen, wird voraussichtlich Praktiken in der Bioethik anregen und neue Standards für die Spitzenforschung setzen.
Das von Professor Nikola Biller-Andorno geleitete Projekt baut auf den bereits laufenden Arbeiten am Institut für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte auf, einem Kollaborationszentrum für Bioethik der Weltgesundheitsorganisation, und setzt diese im Bereich Implementierungsforschung, Gesundheitspolitik und Ethik der Systemforschung fort.
Sobald alle Grundlagen und Instrumente zur Operationalisierung fertiggestellt und getestet sind, werden sie eine umfassende Informationsquelle und wertvolle Unterstützung für die systematische Operationalisierung von Stillstrategien zur Verbesserung der Gesundheit von Müttern und Babys darstellen.
Phase 6 ist derzeit in Entwicklung. Sie wird ein Analyseinstrument zur Berechnung des Finanzbedarfs für die ausgewählten Interventionen aus den Phasen 4 und 5 bieten und helfen, potenzielle nationale und internationale Finanzierungsmöglichkeiten zu ermitteln. Darüber hinaus werden lokale Initiativen zur Finanzierung durch staatliche Stellen aufgezeigt.