Dr. Katharina Lichtner
Geschäftsführerin
Begrüssung und Einführung
Meine Reise mit der Stiftung begann nicht mit ihrer Gründung, aber kurz danach im Oktober 2015.
Kurz nachdem ich die CEO-Position eines Sporttechnologie-Start-ups aufgab, stellte mir ein Headhunter, den ich gut kannte, die Möglichkeit vor, eine Stiftung zum Thema Stillen aufzubauen, die nur zwei Jahre zuvor von der in der Schweiz ansässigen Familie Larsson-Rosenquist gegründet worden war.
Als Mutter, die das Privileg hatte, meine beiden Söhne jeweils mehr als sechs Monate lang mühelos zu stillen, während ich meine Karriere fortsetzte, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, dass das Stillen ein Problem oder ein Thema sein könnte, das so umfangreich ist, dass es den ausschliesslichen Fokus einer ganzen Stiftung rechtfertigt.
Wie falsch ich doch lag! Rasch wurde mir klar, dass das Stillen in seiner ganzen Breite und Komplexität einzigartig ist und Aspekte von Wissenschaft bis Religion und alles dazwischen umfasst.
Ausserdem war die Aussicht, nachdem ich fast 20 Jahre lang am Aufbau von Unternehmen beteiligt gewesen war, eine weitere, aber ganz andere Organisation aufzubauen, sehr reizvoll.
Was mich überzeugte, war die finanzielle Unabhängigkeit der Stiftung und ihr offener Unternehmergeist. Die Stifterfamilie und der Stiftungsrat waren sich einig in dem Ziel, mit einem innovativen Ansatz die Muttermilch wieder zur Norm der Säuglingsernährung zu machen. Die Erfahrungen, die ich seither gemacht habe, könnten besser nicht sein.
Die Offenheit der Stiftung gab mir die Freiheit, systematisch die wichtigsten Bruchstellen bei der Herausforderung, die Stillraten zu erhöhen, zu identifizieren. Gemeinsam mit dem Stiftungsrat haben wir eine mehrjährige Strategie entwickelt, um kritische Probleme anzugehen und ein hervorragendes Team aufzubauen, das in der Lage ist, diese Strategie umzusetzen.
Das Ergebnis? Wir haben den Weg von den wissenschaftlichen Grundlagen bis hin zu deren Wirkung völlig neu überdacht.
Stillen ist die wirksamste Massnahme zur Verbesserung der Gesundheit und der Chancen eines Babys auf ein besseres Leben, insbesondere im globalen Süden. Denn die Stillraten sind immer noch enttäuschend niedrig: Millionen von Frauen und Familien weltweit haben nicht die Unterstützung, die sie brauchen, um ihre Kinder mit Muttermilch zu versorgen.
Gemeinsam mit unseren Partnern haben wir uns vorgenommen, den Weg von der Wissenschaft zur Wirkung und zum Nutzen neu zu beleben, damit festgefahrene Probleme überwunden und ehrgeizige Stillziele erreicht werden können. Eines unserer zentralen Projekte – die Operationalisierung der Stillpolitik eines Landes – wird auf den Seiten 25–27 und 32 im Jubiläumsbuch erläutert.
In den Anfangsjahren konzentrierten wir uns darauf, von der internationalen Gemeinschaft zu lernen. Wir sammelten Wissen über Bemühungen zur Verbesserung des Stillumfelds und schärften unser Verständnis dafür, was funktioniert und wo wir am besten zum Fortschritt beitragen können. Auf dieser Grundlage wurden innovative Ressourcen entwickelt, die Entscheidungsträgern dabei helfen, Strategien zu entwickeln, die in der Praxis funktionieren.
Es ist allgemein anerkannt, dass Stillen im globalen Süden unmittelbar Leben rettet und Säuglinge vor tödlichen Infektionskrankheiten schützt. Der bedeutende Beitrag des Stillens für die langfristige Gesundheit von Müttern und Säuglingen hier in der Schweiz wird jedoch oft übersehen.
In der letzten Umfrage der World Breastfeeding Trends Initiative (WBTi) platzierte sich die Schweiz auf Platz 71 von 100 teilnehmenden Ländern und erhielt nur 48 von 100 Punkten hinsichtlich des globalen Standards für die Ernährung von Säuglingen. Dies ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, wie wenig Ressourcen und Aufmerksamkeit dem Thema gewidmet werden.
Daher bringt die Stiftung ihre Erkenntnisse und Errungenschaften der letzten 10 Jahre ein, um das Stillumfeld in der Schweiz zu verbessern. Wir möchten die wichtigsten Interessengruppen zusammenbringen, um gemeinsam an einer nationalen Stillstrategie zu arbeiten. Mehr dazu finden Sie auf Seite 36.
Zwei der fünf von der Stiftung geförderten unabhängigen Forschungszentren befinden sich in der Schweiz. Wir untersuchen gemeinsam mit den Wissenschaftlern, wie ihre Forschung dazu beitragen kann, das Stillumfeld für Familien in unserem Land zu verbessern (Seiten 15 und 20).
Zusammen mit Professor Nikola Biller-Andorno, Leiterin des Instituts für Biomedizinische Ethik und Medizingeschichte an der Universität Zürich, haben wir einen ethischen Bezugsrahmen entwickelt, um Fragen im Zusammenhang mit Stillforschung und -interventionen zu beurteilen (Seite 31). Wir freuen uns darauf, dass die Ergebnisse Müttern in der Schweiz und im Ausland zugute kommen.
Das öffentliche Stillzimmer, das wir 2021 in unserem Büro in Frauenfeld eröffnet haben, ermöglicht es uns, wertvolle Erfahrungen über den Betrieb eines solchen Raumes zu sammeln. Die gewonnenen Erkenntnisse werden wir nutzen, um die Stillsituation am Arbeitsplatz zu verbessern. Weiter übersetzen wir viele der in englischer Sprache erstellten Unterlagen ins Deutsche, Französische und demnächst auch ins Italienische, um diese Praktiken in der Schweiz zugänglich zu machen.
Wir freuen uns auf die nächsten zehn Jahre und darauf unsere Reise fortzusetzen, indem wir originelle, innovative Ansätze zur Verbesserung des Stillumfelds für Familien in der ganzen Welt entwickeln. Wir sind überzeugt, dass dieses Engagement zur Förderung des Stillens eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft ist.