Anlässlich der Schweizer Stillwoche ...
Wir haben mit Alain Vuissoz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Leistungsbereich Arbeitsbedingungen - Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, über die Sensibilisierung-Aktion „Stillen am Arbeitsplatz“ gesprochen, die im Rahmen der Schweizerischen Stillwoche (15.-21. September 2024) stattfindet.
Herr Vuissoz, was möchten Sie mit dieser Aktion erreichen?
Mit dieser Aktion will das SECO jenen Müttern, die nach der Rückkehr in die Arbeitswelt weiter stillen oder Milch abpumpen wollen, ihre Rechte aufzeigen und im Gegenzug die Arbeitgeber auf ihre Fürsorgepflicht hinweisen. Oftmals ist Unwissenheit über diese Rechte und Pflichten die Ursache, dass die Frau mit dem Stillen – früher als eigentlich gewünscht – aufhört. Mit dieser Aktion sollen also Wissenslücken geschlossen werden.
Welche langfristigen Effekte erhoffen Sie sich von dieser Kampagne?
Einfach gesagt, dass noch mehr Kinder von arbeitenden Müttern noch länger gestillt respektive mit Muttermilch versorgt werden können. Muttermilch ist die ideale und empfohlene Nahrung für Säuglinge. Ausserdem fördert das Stillen die Bindung zwischen Mutter und Kind und hat deshalb langfristig positive Auswirkungen auf die Gesundheit der beiden. Der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach der Geburt darf diese positiven Effekte nicht beeinträchtigen. Und wenn damit die Kinder weniger krank sind, die Mütter oder auch Väter zu deren Betreuung weniger am Arbeitsplatz fehlen, kommt dies nicht nur dem Arbeitgeber, sondern der gesamten Gesellschaft zu Gute.
Welche weiteren Massnahmen oder Projekte planen Sie, um das Stillen am Arbeitsplatz zu fördern?
Wir haben viele Partner, wie beispielsweise Ihre Familie Larsson-Rosenquist Stiftung gewinnen können, die uns bei dieser Aktion unterstützen, so dass ein Grossteil der in der Schweiz tätigen privaten Betriebe und Verwaltungen und deren Mitarbeitenden davon erfahren haben. Weitere Kommunikationskanäle sind namentlich Arztpraxen, Hebammen, Mütterberatung, die direkten Kontakt zu den betroffenen Frauen haben. Wir werden beobachten, wie die Aktion angekommen ist und eine erste Bilanz ziehen.
Wenn eine Arbeitnehmerin nach dem Mutterschaftsurlaub ihr Baby weiter stillen oder Milch abpumpen möchte, dann darf sie das auch am Arbeitsplatz. Unternehmen müssen dafür Zeit und einen geeigneten Raum zur Verfügung stellen. Wie können Sie Unternehmen dabei unterstützen diese Rahmenbedingung zu schaffen?
Eingangs ist zu sagen, dass dieses Recht auf Stillen respektive Milch Abpumpen nichts Neues ist. Ausserdem ist es grundsätzlich relativ einfach, eine geeignete Stillmöglichkeit zu schaffen. Deshalb ist ein wichtiger Teil der Aktion die Information und Sensibilisierung der Betroffenen. Um die Umsetzung noch einfacher zu gestalten, haben wir zwei kostenlos bestellbare Hilfsmittel erarbeitet: Einerseits steht ein Informationsplakat mit individuell anpassbarer Info-Box für den Hinweis auf das Stillzimmer, z. B. fürs Anschlagbrett oder digital fürs Intranet, zur Verfügung. Andererseits ermöglicht unser Türhänger, ein Zimmer klar zu kennzeichnen. So findet die Mitarbeiterin in einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten, vor Blicken geschützten und hygienisch einwandfreiem Raum die nötige Intimität und Ruhe. Dies kann beispielsweise ein Sitzungszimmer, freies Büro, Sanitätsraum oder Ähnliches sein. Ein absolutes No-Go ist die Toilette. (Praktische Hilfsmittel und Informationen finden Sie hier.)
Welche Reaktionen haben Sie bisher auf die Aktion erhalten? Gab es unerwartete Rückmeldungen oder Überraschungen?
Wir haben von allen Seiten eine grosse Bereitschaft gespürt, diese Aktion zu unterstützen. Wir mussten auf unserer Webseite sogar die Bestellmöglichkeiten für den Türhänger und das Plakat vorzeitig online stellen, weil die Nachfrage und das Interesse daran sofort da waren. Und wenn man das Wort Überraschungen verwenden will, dann kann ich mit Freude sagen, dass es keine negativen waren.
Welche Rolle spielt das Thema Stillen in Ihrem persönlichen Arbeitsumfeld am SECO?
Wir haben auch unsere Personalabteilung, wie übrigens alle Personalverantwortlichen des Bundes, über die Aktion informiert. Im SECO kann ich ruhigen Gewissens sagen, dass unseren aus dem Mutterschaftsurlaub in die Arbeitswelt zurückkehrenden Müttern immer eine geeignete Möglichkeit und geeignete Bedingungen geboten werden, um zu stillen oder Milch abzupumpen.
Gibt es Pläne, wie die Thematik über die Stillwoche hinaus am SECO weiterbearbeitet wird?
Der Gesundheitsschutz von schwangeren und stillenden Müttern ist ein Schwerpunktthema des SECO in Zusammenarbeit mit den Kantonalen Arbeitsinspektoraten. Bezüglich dem Stillen am Arbeitsplatz werden wir, wie bereits erwähnt, in einem ersten Schritt beobachten, welche Rückmeldungen wir erhalten, wie gross das Interesse am Thema und die Nachfrage nach den Hilfsmitteln sind. Das SECO und die kantonalen Arbeitsinspektorate erhalten viele Anfragen von Mitarbeitenden, wenn die Arbeitsbedingungen nicht optimal sind, darunter sind leider auch immer wieder Schwangere und Stillende. Sollten wir eine Tendenz in die falsche Richtung feststellen, ist eine Wiederholung der Aktion denkbar. Die Türhänger und Plakate werden auf jeden Fall auch längerfristig im Angebot bleiben und bestellbar sein.
Blicken wir 5 Jahre in die Zukunft. Wo werden wir in der Schweiz hinsichtlich der Vereinbarkeit des Stillens mit der Rückkehr in den Berufsalltag stehen? Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen?
Wenn ich die Reaktionen auf unsere Kampagne analysiere, stelle ich mit grosser Genugtuung fest, dass wirklich alle Beteiligten am selben Strick in dieselbe Richtung ziehen. Niemand hat sich gegen diese Aktion gesträubt. Es wird meines Erachtens auch künftig nicht mit einem aufkommenden Widerstand zu rechnen sein. Denn einem guten Arbeitgeber, der zu seinen Angestellten Sorge trägt, kümmert sich auch um die Frauen nach dem Mutterschaftsurlaub. Der «Aufwand» für den Arbeitgeber ist nicht übermässig. Dafür kommen - wie bereits erwähnt - die durch das Stillen langfristig positiven Auswirkungen auf die Gesundheit von Mutter und Kind letztendlich allen zu Gute. Nicht zuletzt auch mit dem vorherrschenden Fachkräftemangel ist es für Arbeitgeber wichtig, die eigenen Fachkräfte zu halten. Und wenn die Arbeitsbedingungen gut sind, spricht sich das herum und ist beste Werbung für einen Betrieb. Die Herausforderung ist demnach die, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen sensibilisiert sind und es auch bleiben. Und genau das ist das Ziel dieser Sensibilisierungs-Aktion «Stillen am Arbeitsplatz».
Informationen rund ums Thema Stillen sowie eine Bestellmöglichkeit für das Poster (A3) und den Türhänger befinden sich auf der Webseite des SECO: www.seco.admin.ch/stillen